Dienstag, 24. September 2013

Zur Geschichte der bipolaren Erkrankung im Altertum

Zwar hatte bereits Hippokrates den Begriff "Hypomanie" (ύποµαινόµενοι) verwendet, so soll es doch Aretaios, der Kappadokier, gewesen sein, der Manie und Melancholie als erster als zwei phänomenologisch unterschiedliche Zustände derselben Erkrankung beschrieben haben soll. Hippokrates, das Vorbild des Kappadokiers lebte aber ganze 500 Jahre vor diesem.

Was uns wie selbstverständlich als zusammengehörig erscheint, Kraepelins "Manisch-depressives Irresein", die "manic depression" der Beatniks, war in den Anfängen der Heilkunst noch als nicht zusammenhängendes begriffen. Wohl kannte Hippokrates die "Melancholie" und die "Manie", ohne aber Übergänge vom einen zum anderen beschrieben zu haben. Hatte er etwa in den manisch-depressiven Mischzuständen gar nicht das gleichzeitige Auftreten zweier entgegen gesetzter Gefühlszustände in extremis erkannt? War es ihm denn noch nicht vergönnt, genau genug in dieses Leiden hinein zu schauen?
Erst Aretaios hatte die Beobachtungskunst schriftstellerisch so weit empor gehoben, wovon denn auch sein Werk hinreichend Kenntnis ablegt, und Philosoph genug, um vage herantastend schreiben zu können:
"Meiner Ansicht nach ist die Melancholie ohne Zweifel Anfang oder sogar Teil der Krankheit, die Manie genannt wird… Die Entwicklung einer Manie ist vielmehr eine Zunahme der Krankheit als ein Wechsel in eine andere Krankheit."

Im europäischen Mittelalter war dieser Erkenntnisstand wieder wieder im Dunkel verschwunden, eklektisch dekonstruiert in den Begriffen der Sünde: die depressiv träge acedia, die höchmütige superbia, die ira (die auch im göttlichen Zorn vorkommt) und die luxuria, die Wollust. Erst nach dem siècle de la lumière wieder wurden diese Phänomene wieder zusammen genommen und aneinander gedrängt. Kraepelin mit seinem Begriff des manisch-depressiven Irresein besagte: eine Krankheit, bestehend aus zwei Zustände - damit eigentlich ganz nah bei Aretaios. Treffender war da doch die folie circulaire als dynamische Krankheitsentität. Und schliesslich die dialektische Synthese des heutigen Krankheitsbegriffs der  Bipolarität von Angst und Perris.
Aretaios (Ἀρεταῖοςvon Kappadokien ("der Kappadokier"), der nach Archigenes lebte, war ein Zeitgenosse Galens,  und und gilt ebenso wie dieser als einer der grossen Ärzte des griechischen Altertums. Er wurde um 80 n. Chr. in Kappadokien in Kleinasien geboren und starb ungefähr im Jahre 130 im ägyptischen Alexandria. Sein Vorbild war der berühmte Hippokrates, der etwa 500 Jahre vor ihm lebte. Bis heute sind noch acht Bücher von ihm erhalten. Als erster zitierte ihn Alexander Aphrodisiensis. Allseits gilt das Urteil, dass seine Krankheitsbeschreibungen an Eleganz, Sorgfalt und Genauigkeit unübertroffen sind.



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