Samstag, 5. Oktober 2013

Vortioxetine - ein SSRI plus?

30. September 2013 - Die US Food and Drug Administration FDA gibt in einer Pressemitteilung bekannt, dass Brintellix (vortioxetine) in den USA die Zulassung zur Behandlung der Depression erhält. Brintellix ist ein Co-Marketing von Takeda Pharmaceuticals und Lundbeck.  

Die WHO schätzt, dass heute weltweit 350 Millionen Menschen von Depressionen betroffen sind. Diese alarmierende Zahl sollte uns veranlassen, diese weltweit auftretende Erkrankung anzugehen. Am Weltgesundheitstag 2013 wurde die Depression zum Hauptthema gewählt. Die unipolaren Depressionen figurieren als drittwichtigster Verursacher der weltweiten Gesundheitsbelastung (global burden of disease). Die WHO rechnet damit, dass sie bis 2030 an erster Stelle stehen.

Die Psychopharmakotherapie spielt, zusammen mit der psychotherapeutischen Behandung, vor allem bei den mittel- und schwergradigen depressiven Episoden eine zentrale und unverzichtbare Rolle. Als First Line-Treatments werden in den nationalen und internationalen Leitlinien die SSRI (selective serotonine reuptake inhibitors) und SNRI (serotonine-norepinephrine reuptake inhibitors) aufgeführt. Für viele Stoffe aus der Gruppe der genannten Antidepressiva konnte eine gute Wirksamkeit belegt werden. Problematisch sind teilweise deren Nebenwirkungen, unter anderem die sexuelle Dysfunktion.

Mit Vortioxetine wurde ein Medikament entwickelt, das zumindest theoretisch nebenwirkungsärmer ist als die am häufigsten verwendeten Antidepressiva. In einigen Zulassungsstudien konnte die bessere Verträglichkeit tatsächlich auch nachgewiesen werden. Allerdings muss kritisch angemerkt werden, dass es sich bei den hochwertigen Studien zur Belegung der Wirksamkeit in der Regel um eine sehr selektionierte Patientenpopulation handelt. Ob die Wirksamkeit und Verträglichkeit auch in real world-Situationen bestätigt wird, kann nur durch Anwendung und entsprechende Erfahrung belegt werden. 

Vortioxetine, vormals LuAA21004, Substrat von CYP2D6, ist ein sogenannter Serotonin Modulator und Stimulator, weil das Medikament mannigfaltige pharmakologische Mechanismen am serotonergen System bedient.
Vortioxetine ist ein multimodales Agens. Es wirkt über 3 Modi und 5 pharmakologische Mechanismen.
Modus 1: Blockade am Serotonin-Transporter (SERT), und ist damit auch eine Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. 
Modus 2: G-Protein-Rezeptor-Modus mit partiellem Agonismus an 5HT1A-,5HT1BD- sowie Antagonismus am 5HT7-Rezeptoren
Modus 3: Ionenkanal-Modus via 5HT3-Antagonismus
Experimentell wurde eine Erhöhung der Freisetzung von 5 verschiedenen Neurotransmittern nachgewiesen: Serotonin, Noradrenalin, Dopamin, Acetylcholin und Histamin. Die klinischen Eigenschaften suggerieren eine antidepressive Wirksamkeit ohne sexuelle Dysfunktion, die pharmakologischen Eigenschaften das Potenzial für pro-kognitive Effekte und wegen der im Vergleich mit anderen Antidepressiva höheren Multimodalität eine bessere antidepressive Wirkung. 

Die antidepressive Wirksamkeit konnte inzwischen in mehreren randomisierten, doppelblinden Studien belegt werden, wobei eine Studie nur einen Effekt bei einer Subpopulation mit komorbider generalisierter Angststörung nachwies. Hierzu ist zu bemerken, dass aufgrund der immer anspruchsvoller werdenden Studienprotokolle in den letzten Jahren generell eine Zunahme des Placebo-Effekts zu verzeichnen war. 

Kritisch muss hinterfragt werden, weshalb das Medikament in den Studien mit Venlafaxin und nicht mit Escitalopram verglichen wurde. Escitalopram ist ein Produkt von Lundbeck, dessen Patent 2012 abgelaufen ist. Venlafaxin hingegen ist bekannt für eine höhere Rate an Nebenwirkungen. Es ist deshalb fraglich, ob die nebenwirkungsarmen Effekte von Vortioxetine im Vergleich beispielsweise zu Escitalopram ebenfalls so gut zu demonstrieren gewesen wären. 

Dennoch: Vortioxetine hat das Potenzial, ein SSRI plus zu werden. Ob diese vielversprechende Aussicht aber auch eingehalten werden kann, wird erst die Zukunft weisen. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen